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Vertrauensschutz bei Durchlaufspenden

Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.6.1997 - X R 242/93

Wird die Körperschaftsteuerbefreiung des Letztempfängers einer sog. Durchlaufspende rückgängig gemacht und steht hiernach fest, dass der Empfänger tatsächlich nicht gemeinnützig war, kann die frühere körperschaftsteuerliche Beurteilung des Empfängers durch das FA nach den Grundsätzen von Treu und Glauben einer Änderung des Einkommensteuerbescheides entgegenstehen (Abgrenzung zu BFH-Urteilen vom 9. 8. 1989 I R 181/85, BFHE 158, 31 = BStBl 11 1989, 990 = FR 1990, 190; vom 12.9.1990 I R 65/86, BFHE 162, 407 = BStBl II 1991, 258).

§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO § 10 b EStG; § 48 Abs. 2 EStDV


Der Kläger wendete im Streitjahr 1984 der Stadt A zur Weiterleitung an den Golfclub H.-e.V. 7.000 DM zu. Die Stadt bestätigte den Erhalt der Zuwendung und - unter Hinweis auf das für den Golfclub zuständige Finanzamt und der Steuernummer - weiter, dass der Betrag als Spende für den benannten Golfclub verwendet werde. Das FA ließ die geltend gemachte Spende im Einkommensteuerbescheid für 1984 vom 8. 1.1986 gemäß § 10 b EStG zum Abzug zu.

Am 25.7. 1989 teilte das zuständige FA für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung dem FA mit, die Aufnahme in den und der Verbleib in diesem Golfclub seien von Zahlungen abhängig gemacht worden, die lediglich als Spenden bezeichnet würden. Aufgrund dieser Mitteilung änderte das FA am 10.10.1989 den Einkommensteuerbescheid für 1984 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 und versagte den Spendenabzug.


 

Während des Einspruchsverfahrens wurden die gegen über dem Golfclub ergangenen Freistellungsbescheide für die Jahre 1981 bis 1985 durch Körperschaftsteuerbescheide vom 19.2.1990 aufgehoben. Diese Bescheide sind bestandskräftig.

Der Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg. Das FA führte aus, die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 173 AO 1977 lägen vor, weil die Ausgabe letztlich eine Aufnahmegebühr und keine Spende. i. S. des § 10 b EStG gewesen sei. Der Kläger sei nicht schutzwürdig, weil davon auszugehen sei dass ihm, wie allen neuen Mitgliedern, die Aufnahmemodalitäten bekannt seien. Im übrigen stehe nach bestandskräftiger Aufhebung der Freistellungsbescheide fest dass der Golfclub im Streitjahr nicht gemeinnützig gewesen sei. Auch deshalb sei die Änderung des Einkommensteuerbescheides berechtigt. Das FG wies die Klage ab (EFG 1994, 10).

Die Revision führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Aus den Gründen:

Die Entscheidung des FG, dass der Änderungsbescheid auf § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 gestützt werden konnte, ist rechtsfehlerhaft; seine tatsächlichen Feststellungen erlauben keine abschließende Entscheidung, ob die Voraussetzungen für eine Änderung des Einkommensteuerbescheides nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 vorlagen.

Nach dieser Vorschrift sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. "Tatsachen" i. S. des § 173 AO 1977 sind Lebens-Vorgänge, die insgesamt oder teilweise einen steuergesetzlichen Tatbestand oder das einzelne Merkmal eines solchen Tatbestandes erfüllen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 18.3.1988 V R 206/83, BFH/NV 1990, 1, m.w.N.). Entscheidend ist danach, welche Tatsachen für die Anwendung des § 10 b EStG maßgeblich sind.

1. Ausgaben zur Förderung (u.a.) der als besonders förderungswürdig anerkannten gemeinnützigen Zwecke sind gemäß § 10 b Abs. 4 i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG nach Maßgabe des § 48 Abs. 2 und 3 EStDV abziehbar. Die als besonders förderungswürdig anerkannten Zwecke (§48 Abs. 2 EStDV) sind in der Anlage 7 zu Abschn. 111 Abs. 1 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR; im folgenden Anlage 7 EStR) einzeln aufgeführt. Hinsichtlich der Ausgaben für diese Zwecke ist nach § 48 Abs. 3 EStDV zu unterscheiden zwischen Zuwendungen an eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine öffentliche Dienststelle (Nr. 1) und Zuwendungen an eine der in § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG bezeichnete Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse (Nr. 2). Der Abzug von Ausgaben zur Förderung des Sports (Anlage 7 Nr. 3 EStR) hängt davon ab, dass Empfänger der Zuwendung eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine öffentliche Dienststelle ist.

2. Nach dem Urteil des erkennenden Senats vom 24.11.1993 X R 5/91 (BFHE 173, 519 = BStBl II 1994, 683) bestehen zwar verfassungsrechtliche Zweifel daran, ob die in § 48 Abs. 2 EStDV i.V.m. Anlage 7 EStR getroffene Regelung von der Ermächtigungsgrundlage des § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG gedeckt ist. Der Senat kann die Entscheidung der Frage jedoch offen lassen, weil jedenfalls für die Veranlagungszeiträume, die - wie der im Streitfall maßgebliche Veranlagungszeitraum 1984 - vor dem Urteil liegen und für eine kurze zum Erlass einer entsprechenden Rechtsverordnung erforderliche Übergangszeit noch von der Geltung der bisherigen Rechtsverordnung auszugehen wäre (BFH-Beschluss vom 16.01.1995 X B 309/94, BFH/NV 1995, 870). Im folgenden ist daher von der Wirksamkeit der Regelung in § 48 Abs. 2 EStDV i. V m. Anlage 7 EStR auszugehen.

3. Ausgaben "zur Förderung des Sports" sind als Spende abziehbar, wenn Empfänger der Zuwendung eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine öffentliche Dienststelle ist § 10 b EStG i. V m. § 48 Abs. 3 Nr. 1 EStDV und Anlage 7 Nr. 3 EStR). In der Praxis ist es üblich geworden, Spenden in diesen Bereichen an eine juristische Person des öffentlichen Rechts nicht lediglich mit einer allgemeinen Zweckbestimmung sondern mit der Verwendungsauflage zugunsten einer bestimmten genau bezeichneten Organisation zu verbinden (sog. Durchlaufspenden). In diesen Fallen erhält die Organisation die Spende - entsprechend der Anweisung des Steuerpflichtigen - von der als Spendenempfänger eingeschalteten öffentlich-rechtlichen Körperschaft (sog. Durchlaufstelle), die den Empfang der Beträge und deren begünstigte Verwendung bestätigt.

a) Solche Durchlaufspenden werden von der Finanzverwaltung (Abschn. 111 Abs. 2 EStR) und ständigen Rechtsprechung (BFH-Beschluss vom 19.7.1978 I B 14/78, BFHE 125, 351 = BStBl II 1978, 598; BFH-Urteile vom 19.3.1976 VI R 72/73, BFHE 118, 224 = BStBl II 1976, 338; vom 18.7.1980 VI R 167/77 BFHE 131, 345 BStBl II 1981, 52; vom 28.4.1987 IX R 7/83, BFHE 150, 406 = BStBl II 1987, 814; vom 12.9.1990 I R 65/86, BFHE 162, 407 = BStBl II 1991, 258) zum Abzug zugelassen, sofern der (Letzt-)Empfänger als gemeinnützig anerkannt und von der Körperschaftsteuer befreit ist (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG BFH in BFHE 162,407 = BStBl II 1991, 258).

b) Am Durchlaufspendenverfahren wird im Schrifttum allerdings zunehmend Kritik geübt, vor allem durch das vom BMF in Auftrag gegebene Gutachten der Unabhängigen Sachverständigenkommission zur Prüfung des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts (Schriftenreihe des BMF, Heft 40, Bonn 1988 - folgend "Gutachten" -; ebenso Stäuber in Blümich, EStG/KStG/GewStG, 15. Aufl., § 10 b EStG Rz. 29; Heinicke in Schmidt, EStG, 15. Aufl. 1996, § 10 b Anm. 32; Graf/Menzel, DStZ 1986, 315; Graf, DStZ 1990, 239; Hortemann, DStZ 1991,493, und V Weiß, DStZ 1995, 650). Der erkennende Senat hält diese Kritik für berechtigt und neigt daher zur Ansicht, dass sich die Anerkennung von Durchlaufspenden nicht mehr aufrecht erhalten lässt. Es begegnet schon erheblichen Bedenken, dass die in der Praxis als Durchlaufstellen in Anspruch genommenen Gebietskörperschaften und deren Dienststellen dadurch mit der Überprüfung der Voraussetzungen des Spendenabzugs befasst werden, obwohl diese zur Steuerverwaltung zählende Funktion gemäß Art. 108 Abs. 2 Satz 2 GG i. V. m. § 17 Abs. 2 des Finanzverwaltungsgesetzes (FVG) grundsätzlich allein den Finanzbehörden vorbehalten ist (vgl. Senatsurteil vorn 21. 4. 1993 X R 112/91, BFHE 171, 15 = BStBl II 1993, 649, 652). Zudem sind diese öffentlich-rechtlichen Empfänger weder rechtlich noch tatsächlich in der Lage hinreichend nachzuprüfen, ob es sich bei den Zuwendungen wirklich um Spenden i.S. des § 10 b EStG handelt und ob sie zweckentsprechend verwendet werden. Das gilt jedenfalls seit der Einführung des sog. Listenverfahrens (vgl. Schreiben des BMF vom 3.1.1986 IV B 4 - S 2223 - 283/85, BStBl I 1986, 52). Es müsste jedoch, was das BVerfG im Urteil vom 27.6.1991 2 BvR 1493/89 (BVerfGE 84, 239 BStBl II 1991, 654, 665) zum Erfordernis der tatsächlichen Belastungsgleichheit bei der Besteuerung von Einkünften aus Kapitalvermögen entschieden hat, gleichermaßen für die Kontrolle steuermindernder Sachverhalte gelten.

c) Der Senat braucht hierüber im Streitfall jedoch nicht abschließend zu entscheiden; denn für die Zulässigkeit einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 ist entscheidend, wie das FA den Sachverhalt bei Kenntnis der nachträglich bekanntgewordenen Tatsache gewürdigt hätte. Insoweit ist aber auf die im Zeitpunkt der ursprünglichen Veranlagung maßgebliche Rechtsprechung und die bindenden Verwaltungsanweisungen abzustellen (BFH-Beschluss vom 23.11.1987 GrS 1/86, BFHE 151, 495 = BStBl II 1988, 180; BFH-Urteil vom 14.12.1994 XI R 80/92, BFHE 176, 308 = BStBl II 1995, 293, m.w.N.).

Danach waren, wie ausgeführt, im Zeitpunkt des Erlasses des ursprünglichen Einkommensteuerbescheides für 1984 vom 8.1.1986 Durchlaufspenden grundsätzlich abziehbar. Ausgeschlossen ist ein Spendenabzug jedoch dann, wen die als Spenden bezeichneten Ausgaben bei wirtschaftlicher Betrachtung das Entgelt für eine Leistung des Empfängers darstellen (sog. "Beitrittsspende"; vgl. Abschn. 111 Abs. 1 EStR 1984; BFH-Urteil vom 1.4.1960 VI 134/58 U, BFHE 70, 621 = BStBl III 1960, 231; BVerfG-Urteil vom 24.6.1958 2 BvF 1/57, BVerfGE 8, 51, 66; vgl. auch die Literatur- und Rechtsprechungsnachweise in den BFH-Entscheidungen vom 25.11.1987 I R 126/85, BFHE 151, 544 = BStBl II 1988, 220; vom 19.12.1990 X R 40/86, BFHE 163, 197 = BStBl II 1991, 234; und vom 22.3.1995 X B 285/94, BFH/NV 1995, 963).

d) Handelte es sich im Streitfall um eine "Beitrittsspende" - war das FA - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben an einer Änderung des Einkommensteuerbescheides gehindert; denn insoweit fehlt es an einem Verhalten der Finanzverwaltung, auf das der Kläger hätte vertrauen können.

4. Das FG hat zur Frage, ob es sich um eine "Beitrittsspende" handelt, keine tatsächlichen Feststellungen getroffen. Es durfte von entsprechenden Feststellungen jedoch nicht absehen; denn entgegen der Auffassung des FG berechtigte allein die Änderung des Freistellungsbescheides für den Golfclub nicht zu einer Änderung des Einkommensteuerbescheides des Spenders.


 

Allerdings ist nach der Rechtsprechung das Veranlagungsfinanzamt des Spenders hinsichtlich der Frage, ob der Empfänger tatsächlich gemeinnützig und von der Körperschaftsteuer befreit ist, an die körperschaftsteuerrechtliche Beurteilung gebunden (z.B. BFH-Urteile in BFHE 162, 407 = BStBl II 1991, 258, m.w.N.; in BFHE 131, 345 = BStBl II 1981, 52). Wird die Körperschaftsteuerbefreiung des (Letzt-)Empfängers rückgängig gemacht und steht danach fest, dass der Empfänger nicht gemeinnützig ist, kommt deshalb die Änderung des Einkommensteuerbescheides des Spenders in Betracht. Hierbei sind aber nach der Rechtsprechung bei Durchlaufspenden die Grundsätze von Treu und Glauben zu beachten, der Vertrauensschutz kann gebieten, es bei dem einmal gewährten Sonderausgabenabzug zu belassen (ausführlich BFH in BFHE 131, 345 = BStBl II 1981, 521). Für Durchlaufspenden wie im Streitfall hat der VI. Senat in diesem Urteil entschieden, dass der Spender grundsätzlich auf eine wiederholt ausgesprochene Steuerfreiheit des (Letzt-)Empfängers vertrauen darf. Diese Grundsätze sind entgegen der Auffassung des FG durch die Entscheidungen des BFH vom 5.8.1989 I R 181/85 (BFHE 158, 31 = BStBl II 1989, 990) und in BFHE 162, 407 = BStBl II 1991, 258 nicht berührt. Im Urteil in BFHE 158, 31 BStBl II 1989, 990 unter II. 3.c (4) führt der I. Senat ausdrücklich aus, dass der entschiedene Sachverhalt sich in wesentlichen Punkten von dem eine Durchlaufspende betreffenden Sachverhalt unterscheide. Vergleichbares gilt für das Urteil in BFHE 162, 407 = BStBl II 1991. 258: Anders als im Streitfall hat dort der Steuerpflichtige an Vereinigungen gespendet, die im Zeitpunkt des Zuflusses nicht als gemeinnützig anerkannt und von der Körperschaftsteuer befreit waren. Ein Verhalten von Finanzbehörden, auf das sich das Vertrauen des Steuerpflichtigen hätte begründen können, lag deshalb nicht vor. Lediglich in diesem Zusammenhang führt der I. Senat aus, die Bestätigung der Durchlaufstelle sei nicht geeignet, einen Vertrauenstatbestand zwischen Steuerpflichtigem und FA zu begründen, weil die Gemeinde nicht Teil von Finanzbehörden sei.


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